Nach dreijähriger Beratung im Guideline-Komitee veröffentlichte das NICE (National Institute for Health an Care Excellence in Großbritannien) am 29. Oktober 2021 die Überarbeitung seiner Leitlinien für ME/CFS. Das NICE hat auf Grundlage der Überprüfung der einschlägigen Forschung und Hinzuziehung neuer Studien die bisherigen Behandlungsstandards gründlich überarbeitet und spricht sich in den neuen Leitlinien gegen die Anwendung von Aktivierungstherapie (GET: Graded Exercise Therapy) und gegen die Anwendung von kognitiver Verhaltenstherapie (CBT: Cognitive Behavioural Therapy) als kurative Behandlung aus.
Diese Behandlungsmaßnahmen missachteten in der Vergangenheit sowohl die Belastungsintoleranz (PEM: Post-Exertional Malaise)1
als auch das Pacing (Energiemanagement) als elementare Bestandteile des Umgangs mit ME/CFS und führten von Verschlimmerungen bis hin zu verheerenden Verschlechterungen aller Symptome mit unermesslichem, zusätzlichem Leid für die Betroffenen.
Für diesen dramatischen Kurswechsel haben sich zahllose Menschen und ME/CFS-Erkrankte in der ganzen Welt, ihre Patientenorganisationen und verschiedene Ärzt*innen unermüdlich eingesetzt. Die neuen britischen Leitlinien könnten einen internationalen Wendepunkt zur Anerkennung von ME/CFS, zur angemessenen Behandlung und Versorgung der Betroffenen sowie zur Erforschung der Krankheit einläuten.
Vgl. PACE-Studie
- PEM bezeichnet die ausgeprägte, anhaltende und zum Teil dramatische Verschlechterung der Symptome nach zu hohen oder zu langen körperlichen oder mentalen Belastungen, die unmittelbar oder mit einer Verzögerung von bis zu 24-48 Stunden in Form einer starken allgemeinen Zustandsverschlechterung auftritt. ↩