Jahresrückblick 2022

Logo der Initiative ME/CFS Freiburg Die Initiative zur Anerkennung, sozialen Sicherung, Behandlung und Erforschung von ME/CFS Freiburg startete am 28. November 2021 mit dem Einstellen und Veröffentlichen ihrer Homepage im Internet.

Die möglichen Betätigungsfelder einer Initiative sind entsprechend der Größe der Aufgabe herausfordernd und vielfältig. Die Initiative ist frei und unabhängig von Verbänden, Vereinen oder Parteien. In ihrer Kommunikation und ihrer Ausrichtung kann sie sich wandelnden Bedingungen flexibel anpassen. Ziele der Initiative ME/CFS Freiburg sind zum einen, die Öffentlichkeit zu sensibilisieren und über die Existenz und Verbreitung der Myalgischen Enzephalomyelitis / dem Chronischen Fatigue-Syndrom aufzuklären, zum anderen auf politischer Ebene in Kooperation mit der ME/CFS-Selbsthilfe, den Patientenorganisationen und anderen Akteuren zielführende und nachhaltige Entscheidungen zur Erforschung der Krankheit und der Versorgung der Erkrankten herbeizuführen.

Im vergangenen Jahr waren wir insbesondere in den folgenden Handlungsfeldern tätig, über die wir hier berichten wollen:

  1. Gründung des ME/CFS-Netzwerks Baden-Württemberg
  2. Mitsprache im fachpolitischen Diskurs
  3. Aktionen
  4. Öffentlichkeit
  5. Zusammenfassung und Ausblick


1. Gründung des ME/CFS-Netzwerks Baden-Württembergs

Logo des Netzwerks für ME/CFS Baden-Württemberg Je größer die Zahl der Unterstützerinnen und Unterstützer, umso eher findet man Gehör in Öffentlichkeit und Politik. Deshalb hat die Initiative schon im Dezember 2021 damit begonnen, den Kontakt zu den ME/CFS Selbsthilfegruppen in Baden-Württemberg aufzunehmen. Im April 2022 gründete sich dann das ME/CFS-Netzwerk Baden-Württemberg als Verbund von sechs baden-württembergischen SH-Gruppen und einer Regionalgruppe des Fatigatio e.V. im direkt angrenzenden Ludwigshafen (Rheinland-Pfalz) sowie der Initiative ME/CFS Freiburg. In den Kontakten und der Korrespondenz mit den unterschiedlichen Institutionen in Baden-Württemberg wurden wir im Verbund mit der Selbsthilfe und der „Marke“ ME/CFS-Netzwerk Baden-Württemberg als zuständige, in BW vernetzte Interessenvertretung und Gesprächspartner anerkannt. Dies wirkte sich z.B. unmittelbar bei den Vorgesprächen zur Anhörung zum Thema „Krankheitsbild ME/CFS“ im Sozialausschuss des Landtags von Baden-Württemberg sehr positiv aus (vgl. Kapitel 2.3).

Im August übernahmen wir den Entwurf einer professionellen Graphikerin als Logo des Netzwerks und richteten unseren Account auf Twitter ein. Seitdem hat sich in der Außendarstellung die Initiative ME/CFS Freiburg bei landespolitischen Projekten zurückgezogen und wir bringen uns weiter mit den zuvor schon bearbeiteten Themen im Verbund des ME/CFS-Netzwerks Baden-Württemberg ein.


2. Mitsprache im fachpolitischen Diskurs

2.1 Virtueller Fachttag Long-COVID/Post-COVID am 27.01.2022

Unmittelbar nach unserer Gründung wurden wir durch eine Pressemitteilung von der o.g. Fachtagung informiert, die von der Landesärztekammer (LÄK) in Kooperation mit dem Ministerium für Gesundheit, Soziales und Integration durchgeführt wurde mit dem Ziel, „möglichen weiteren Forschungsbedarf im Hinblick auf die langfristigen und indirekten Folgen einer COVID-19-Erkrankung und den Versorgungsbedarf zu gesundheitlichen Folgen der COVID-19 Pandemie abzuleiten". Da sich weder durch das Programm noch durch die Auswahl der Referent*innen erkennen ließ, dass ME/CFS thematisiert würde, versuchten wir LÄK und Sozialministerium zu veranlassen, eine der beiden bundesweit anerkannten Expertinnen für ME/CFS, Frau Prof. Scheibenbogen oder Frau Prof. Behrends, als Referentinnen einzuladen. Verschiedene Schreiben an Sozialminister Lucha, den Vorsitzenden des Sozialausschusses Herrn Wahl und zwei Rundmails an die Fraktionsvorsitzenden und ihre gesundheitspolitischen Sprecher im Landtag führten leider nicht zum Erfolg. Wir erhielten aus dem Ministerium schließlich zur Antwort, dass keine Möglichkeit mehr bestehe, weitere Referenten und Referentinnen einzuladen, da das Programm des Fachtags „bereits finalisiert sei“. Zudem liege „der Schwerpunkt des Programms auf den baden-württembergischen Strukturen“, in denen sich allerdings kein einzige*r ME/CFS Expert*in findet.

Es gelang uns aber im Verlauf der Fachtagung, aus dem Chat mehrere kritische Fragen zu ME/CFS in die Expertenrunde zu stellen, die offensichtlich bei einigen Teilnehmerinnen und Teilnehmern eine gewisse Nachdenklichkeit erzeugten.

2.2 EPILOC-Studie1

Die vom Land Baden-Württemberg mit 2,3 Millionen Euro geförderte EPILOC-Studie zu neu auftretenden und anhaltenden Symptomen nach einer SARS-CoV-2-Infektion untersucht eine große Stichprobe (N=11.700) retrospektiv 6 bis 12 Monate nach COVID-19. Die Untersuchung fand in den Regionen Freiburg, Ulm, Tübingen und Heidelberg unter Beteiligung der dortigen Universitätskliniken statt. Bei restriktiver Definition von Long COVID wurde eine alters- und geschlechtsstandardisierte Häufigkeit von 26,5 % bei Long COVID ermittelt, sprich: Über ein halbes Jahr nach COVID-19 leiden mehr als ein Viertel der Infizierten an Long COVID-Symptomen, die ihre Lebensqualität maßgeblich einschränken.

Das häufigste berichtete Symptom in der EPILOC-Studie ist die rasche physische Erschöpfbarkeit, die von gut 32 % der Studienteilnehmenden als neues Symptom 6 - 12 Monate nach COVID-19 angegeben wurde. Auch die weiteren Symptome, die die Studienteilnehmenden berichten, sind im Großen und Ganzen klassische ME/CFS-Symptome: chronische Fatigue, neurokognitive Störungen, Kopf- und Muskelschmerzen. Und auch vermeintlich Long-COVID-spezifischere Symptome wie Kurzatmigkeit und Veränderungen des Geschmacks- und Geruchssinns treten auch bei ME/CFS häufig auf.

Allerdings wird die große Überschneidung zu ME/CFS nur an einer Stelle in der Diskussion der Studie kurz erwähnt. Etablierte und validierte Fragebögen, die aus der ME/CFS-Forschung bekannt sind, fanden in der EPILOC-Studie keine Verwendung. Auch nicht die Kanadischen Konsenskriterien zur Diagnose von ME/CFS. Dabei hatten Kedor et al., 2021 bereits Anfang letzten Jahres gezeigt, dass viele der Long COVID-Betroffenen die Kriterien für ME/CFS erfüllen.

Der fehlende Einbezug von ME/CFS-Expertise führt in der EPILOC-Studie u. a. dazu, dass typische postvirale Symptome wie bspw. die orthostatische Intoleranz nicht abgefragt und nicht berücksichtigt wurden. Der großangelegte Stil der Studie hätte das Potenzial gehabt, die Häufigkeit von ME/CFS nach einer Coronainfektion präzise zu ermitteln und so zum einen die Erkenntnis nach der dringend erforderlichen Erforschung von ME/CFS entscheidend zu befördern und zum anderen die Notwendigkeit zu verdeutlichen, in der weiteren Forschung zu Long COVID auf das bereits vorhandene ME/CFS-Wissen mit knapp 8.000 Studien aufzubauen.

Da ME/CFS im Design der Studie unberücksichtigt bleibt und wir auf zwei Rundschreiben v. 16.04. u. 17.07.22 an die zehn Autoren der Studie lange keine Antwort erhielten, hat ein Mitglied der Initiative eine kritische Stellungnahme verfasst: „Die EPILOC-Studie – ein verpasste Chance“, die wir den Autoren und anderen verantwortlichen Personen und Stellen zugeleitet haben.

Mit Beginn dieses Jahres startet die Phase II der Studie, mit der neuen Chance zur Erkennung und Diagnose der ME/CFS-Erkrankten unter den fast 12.000 Probanden. Wir erhielten schließlich für den 14. September einen Gesprächstermin mit dem Studienleiter, Herrn Prof. Kern (Uniklinik Freiburg) und einem Mitautor, Herrn Prof. Steinacker (Uniklinik Ulm), um in einen Austausch zu treten und unsere Forderungen vortragen zu können. Nach unseren Hinweisen auf den dringenden Informationsbedarf von ME/CFS-erkrankten Patientinnen und Patienten haben wir im Netzwerk auf Wunsch von Prof. Steinacker eine „Erstinformation für Patienten mit ME/CFS“ erstellt, die sich seit November auf der Homepage der Uniklinik Ulm befindet.

Trotz dieser Kooperation wurde seitens Prof. Kern und Prof. Steinacker entgegen der gemachten Zusage das Gespräch mit uns bisher nicht fortgesetzt.

Aufgrund der hohen Landeszuschüsse sandten wir zur Überprüfung des Studiendesigns mehrere Schreiben an Forschungsministerin Theresia Bauer und nach ihrem Ausscheiden an ihre Nachfolgerin Frau Petra Olschowski mit der Bitte, darauf hinzuwirken, dass „alle EPILOC-AutorInnen diesen letzten Schritt einer klaren Diagnose und Klassifizierung von ME/CFS konsequenterweise noch gehen“. Das letzte Schreiben an Ministerin Olschowski v. 17.11.22 blieb bisher ohne Antwort.

2.3 Anhörung im Ausschuss für Soziales, Gesundheit und Integration des Landtags BaWü zum „Krankheitsbild ME/CFS“ am 20. Juni 2022

Anfang Februar ’22 erhielten wir aufgrund der durch den Fachtag (28.01.22) geknüpften Kontakte folgende Information aus der Grünen Fraktion: „Unser Vorschlag, eine Anhörung im Sozial- und Gesundheitsausschusses des Landtages von Baden-Württemberg zu ME/CFS abzuhalten, ist Ende letzter Woche interfraktionell auf Interesse gestoßen. Das heißt, es wird eine Anhörung zu ME/CFS geben.“ Auch Vertreter anderer Fraktionen, insbesondere der FDP, hatten auf unsere Rundschreiben zum Fachtag reagiert und wir konnten nun im Vorfeld der Anhörung Vorschläge zur Auswahl der Expertinnen und Experten und der Patientenorganisationen einbringen, die in vollem Umfang berücksichtigt wurden. Durch eine gute Abstimmung und Vorbereitung unter den vier Vertreter*innen der Betroffenen und der Verbände ist es gelungen, die Abgeordneten aller Parteien davon zu überzeugen, dass dringend Maßnahmen ergriffen werden müssen. Gerade die Kombination aus Wissenschaft (Frau Prof. Scheibenbogen, Frau Prof. Behrends) und den eindrucksvollen Berichten betroffener Eltern, der plastischen Darstellung der fehlenden medizinischen und sozialen Versorgung und dem Ansprechen des fehlenden Wissens im Gesundheitssystem und deshalb fehlender und falscher Diagnosen hatte eine deutliche Wirkung und berührte die anwesenden Ausschussmitglieder. In der Presseerklärung des Landtags heißt es: „Vertreterinnen und Vertreter aller Fraktionen zeigten sich beeindruckt von der Anhörung und sicherten ebenso wie eine Vertreterin des Sozialministeriums ihre Unterstützung zu. Der Ausschussvorsitzende erklärte in seinem Schlusswort, „es bestehe dringender politischer Handlungsbedarf, da die Versorgungslage für die Betroffenen völlig unzureichend ist. (..) Er werde nun mit den Obleuten der Fraktionen darüber beraten, wie man auf Landesebene weiter vorgehen könne, um die Versorgungslage zu verbessern.“2

So wurde die Anhörung zu einem großen Erfolg und Höhepunkt unserer Bemühungen im vergangenen Jahr. Ein ausführlicher Bericht incl. Links zu den Videoaufzeichnungen der Anhörung ist auf unserer Homepage eingestellt: Artikel: Anhörung im Sozialausschuss des Landtages von Baden-Württemberg

2.4 Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)

Nach der Resolution des EU-Parlaments 2020, in der die Mitgliedsstaaten zu mehr Forschungsaktivitäten aufgefordert wurden,3 hat das deutsche Bundesministerium für Gesundheit (BMG) das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) beauftragt, den aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand zu ME/CFS zu erarbeiten, um Forschungsansätze und versorgungsrelevante Therapieoptionen zu entwickeln. Im Berichtsplan (Juni 2021) stand bereits fest, dass weder führende Expert*innen noch Patientenvertreter*innen an der Erarbeitung des Berichts beteiligt würden. Genauso wie die anderen Patient*innen-Organisationen haben wir schon damals die Gefahr gesehen, dass so die falschen Ergebnisse aus der manipulierten PACE-Studie gemeinsam mit der insgesamt schlechten Studienlage einen zu hohen Stellenwert bekommen, was zu falschen Ergebnissen führt. Diese Befürchtungen haben sich jetzt leider bewahrheitet.

Das IQWIG hat am 13.10.2022 den Vorbericht „[N21-01] Aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisstand zu Myalgischer Enzephalomyelitis / Chronic Fatigue Syndrom (ME/CFS)“ veröffentlicht und zur Abgabe von Stellungnahmen bis zum 27.11. aufgefordert. Beim Erörterungstermin der Stellungnahmen am 12.12. haben zwei Vertreter*innen des Netzwerks teilgenommen.

Auf unserer Homepage sind die Stellungnahmen der Initiative ME/CFS Freiburg, des ME/CFS-Netzwerks BW sowie von zwei Einzelpersonen aus dem Unterstützerkreis veröffentlicht:
Artikel: Vorbericht des IQWIG zum ME/CFS-Kenntnisstand - Stellungnahme
Der endgültige Bericht des IQWIG soll Anfang 2023 erscheinen und wird große Auswirkungen auf die Erkrankten haben, da sich die Bundesregierung darauf stützen wird.


3. Aktionen

3.1 Postkartenaktion an IQWIG und BMG

MillionsMissing Deutschland hatte innerhalb der Frist zur Stellungnahme eine Postkartenaktion an das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) und das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) gestartet mit dem Slogan: „Alles, was ich mir zu Weihnachten wünsche, ist ein IQWiG-Bericht zu ME/CFS ohne gesundheitsschädliche Empfehlungen.“ Die Aktion wurde von Patientenorganisationen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz und natürlich vom ME/CFS-Netzwerk BW unterstützt.

3.2 #LightUpTheNight4ME 2022

Der Internationale ME/CFS-Tag setzt ein Zeichen der Solidarität für Menschen, die an dieser schweren multisystemischen Erkrankung leiden. Seit 1993, also seit fast 30 Jahren, werden weltweit in der Nacht vom 12. zum 13. Mai öffentliche Gebäude blau beleuchtet, um auf ME/CFS und die Nöte, Missstände sowie die prekären Lebensverhältnisse der Betroffenen aufmerksam zu machen. In enger Zusammenarbeit mit der ME/CFS Selbsthilfe Freiburg haben wir diese internationale Kampagne zur blauen Beleuchtung öffentlicher Gebäude vor Ort erfolgreich organisiert und hatten bundesweit die größte Zahl beleuchteter Bauten, wie z.B. der Kirchturm der Kreuzkirche im Stühlinger, das Hohlbeinpferdchen oder das Freiburger Stadttheater.

3.3 Benefiz-Halbmarathon

Nachdem das lange für den 2. Oktober geplante Benefizkonzert des symphonischen Blasorchesters der Bundespolizei München zugunsten der 18-jährigen schwerstbetroffenen Milena aus Emmendingen kurzfristig abgesagt wurde, organisierte ihr Vater für den 11. Dezember mit großem Erfolg einen Benefizmarathon mit insgesamt 50 Teilnehmenden. Wir unterstützten schon den geplanten Auftritt des Orchesters und natürlich dann auch den Lauf und riefen mit einer Rundmail zur Teilnahme und zu Spenden auf. Am Startpunkt informierten wir Läufer*innen und Zuschauer mit Flyern und Infomaterial über ME/CFS und seine Folgen. Ein Bericht im Emmendinger Tor zur Ankündigung des Laufs löste eine Welle von Hilfsbereitschaft aus.

3.4 Bal Folk-Benefiz-Adventsball

Zur Finanzierung ihrer medizinischen Behandlung veranstaltete Irene K., die bereits vor mehr als 20 Jahren an ME/CFS erkrankte, am 4.12. einen Bal Folk-Benefiz-Adventsball mit Livemusik. In den Pausen wurde das Publikum über ME/CFS informiert und Irene gab einen persönlichen Einblick:

„Nichts lieber als alles andere auf der Welt würde ich meine Talente, mein Wissen, meine Fähigkeiten und Gaben, beruflich wie privat, in die Welt geben und aktiv an der Gesellschaft teilhaben, eigene Pläne und Träume verwirklichen, mich ins Leben geben, vorwärts gehen… noch sind nicht alle Träume, die auf einem gesunden, aktiven und tatkräftigen Leben basieren, gestorben. Und: es gibt Therapien für die nun endlich erlangten Befunde...!“

Wir unterstützten auch diese Benefizveranstaltung durch einen Aufruf, einen Infostand und einen Wortbeitrag während des Festes.


4. Öffentlichkeit

Um einen relevanten Teil der Öffentlichkeit zu erreichen, ist eine Organisation, die keine flächendeckenden Werbekampagnen schalten kann, stets von Journalisten und ihren Redaktionen abhängig, ob bei den Printmedien, beim Funk oder Fernsehen.

Anders ist das bei sozialen Medien. Sie spielen bei ME/CFS beim Austausch und zur Informationsweitergabe unter den Betroffenen sowie den engagierten Medizinern und Politikern eine zentrale Rolle und bieten eine weitgehend unabhängige Möglichkeit zur Information der Öffentlichkeit. Auch wenn man weiß, dass man sich dort stark in der eigenen „Blase“ bewegt, sind Twitter, Facebook & Co. ein ganz wesentlicher Teil des Kampfes für die Anerkennung, Erforschung und Versorgung von ME/CFS-Erkrankten.

Mittelbar ist die Initiative ME/CFS Freiburg durch den Twitter-Account des ME/CFS-Netzwerks Baden-Württemberg in den sozialen Medien aktiv und kann in Abstimmung mit den Kooperationspartnern dort relevante Informationen einbringen und über die wachsende Zahl der Follower verbreiten. Eine weitere Möglichkeit mit allerdings weit geringerer Reichweite sind die insgesamt 42 Rundmails der Initiative an die inzwischen über 80 Unterstützerinnen und Unterstützer in der Verteilerliste.

Als äußerst problematisch hat sich im vergangenen Jahr die Monopolstellung der Badischen Zeitung erwiesen (Leserschaft ca. 400.000 Personen). Eine Berichterstattung zu ME/CFS fand während des gesamten Jahres 2022 dort nicht statt. Ausnahmen bilden die spärliche Information zum Internationalen ME/CFS-Tag (BZ v. 14.05.22) oder die Berichterstattung zu dem von der Badischen Zeitung selbst organisierten und leider kurzfristig abgesagten Benefizkonzerts des Bundespolizeiorchesters, geplant für den 2. Oktober in Emmendingen, zugunsten der schwerstbetroffenen Milena und ihrer Familie.

Allerdings muss man in diesem Artikel (BZ v. 17.09.22) ME/CFS erst tief im Text unter der Headline des wohltätigen Events suchen, der selbstverständlich auch der Eigenwerbung der BZ dient (vgl.: BZ, Emmendinger Lokalteil v. 25.09.2022). Eine proaktive, aufklärerische Funktion unabhängig von milder Wohltätigkeit wird von den Redakteuren der Badischen Zeitung konsequent nicht wahrgenommen. Selbst über die beiden erwähnten Benefizveranstaltungen hat die Badische Zeitung nicht berichtet. So reiht sie sich nahtlos bei Ärzten und Politikern ein, die, bis auf vereinzelte Ausnahmen, ME/CFS komplett übergehen, leugnen und nicht kennen.

Als Zeugnis des Ignorierens Schwerstkranker durch das medizinische System, inklusive ihrer hochrangigen Vertreter, sei hier der Leitende Ärztliche Direktor des Universitätsklinikums Freiburg zitiert. Am 21.12.2021 ließ er durch seine persönliche Referentin mitteilen, so wörtlich: „Herr Prof. Wenz dankt für Ihr Schreiben vom 13.12.2021 in Hinblick auf die Anerkennung, Versorgung und Erforschung von ME/CFS in Baden-Württemberg. In seinem Auftrag muss ich Ihnen mitteilen, dass wir leider derzeit keine Möglichkeiten sehen, die von Ihnen gewünschte Versorgung resp. Behandlung (von ME/CFS-Patienten) anzubieten.“


5. Zusammenfassung und Ausblick

2022 war für die Initiative ME/CFS ein intensives Jahr des Aufbaus. Ihre erste Bekanntheit erlangte sie durch die für Baden-Württemberg kurz nach ihrer Gründung stattfindende Fachtagung Long-/Post-COVID (27.01.22) und ihren Einsatz zur diagnostischen Erfassung der Subgruppe der ME/CFS-Erkrankten unter den 11.700 Long-COVID-Probanden der EPILOC-Studie. Im April 2022 ist es schließlich gelungen, das überregionale ME/CFS- Netzwerk Baden-Württemberg ins Leben zu rufen, in dem wir seitdem engagiert mitarbeiten.

Die Initiative ME/CFS Freiburg bleibt mit ihrer Beteiligung an lokalen Aktionen, ob Benefizveranstaltungen oder Internationaler ME/CFS-Tag, vor Ort aktiv und wird weiterhin versuchen, insbesondere bei der Badischen Zeitung, für ME/CFS zu sensibilisieren.

Nach der erfolgreichen Anhörung ist aktuell als nächster Schritt des Wahlausschusses noch für diesen Januar die Verabschiedung eines interfraktionellen Beschlussantrags im Landtag geplant; hier der Link zum Antrag (Drucksache 17/3780).

Gemäß des Ausschussvorsitzenden soll im Anschluss an die öffentliche Sitzung und Antragsberatung eine Informationsreise der zuständigen Sprecher*innen der Fraktionen zur Charité nach Berlin stattfinden. Dort soll das „Forschungszentrum“ besichtigt werden, um „Anregungen für das weitere Vorgehen in Baden-Württemberg zu erhalten“. Nach weiteren Informationen sollen an dieser Fahrt Vertreter*innen aus „Forschung und Versorgung“ in BW teilnehmen. Die Reise ist für den 2.-4. März geplant.

Wir freuen uns über diese Entwicklung und werden die weiteren Schritte mit großem Interesse verfolgen. Wir streben die Beteiligung Betroffener in den politischen Beratungsprozess an und stehen diesbezüglich in engem Kontakt mit der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS und dem Fatigatio Bundesverband ME/CFS, die sich mit der Bitte um Einbeziehung an den Vorsitzenden des Sozialausschusses gewandt haben.

  1. Raphael S. Peters et al (2022): Prevalence, determinants, and impact on general health and working capacity of post-acute sequelae of COVID-19 six to 12 months after infection: a population-based retrospective cohort study from southern Germany, DOI: 10.1101/2022.03.14.22272316.
  2. Pressemitteilung des Landtages BW: Dringender Handlungsbedarf beim Krankheitsbild ME/CFS vom 20.06.2022.
  3. Europäisches Parlament verabschiedet Resolution zu ME/CFS, (Abruf 12.11.2021),
    Die Resolution selbst (18.06.2020).

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